Schon so oft daran vorbeigefahren und irgendwo im Hinterstübchen gewundert, was da in Icking im Feld zum Abhang hin gerichtet für ein seltsamer und hässlicher Beton-Turm steht. Eines Tages hab ich mich dann mal so richtig bewusst gewundert und sah mir diesen Turm aus der Nähe an. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder es handelt sich um eine Skischanze?! Aber wer um alles in der Welt würde mitten in diese Landschaft der Isarauen eine Sprungschanze hinein bauen… oder dieses graue Ungetüm blieb wie die meisten hässlichen Betonüberreste in dieser Gegend vom zweiten Weltkrieg übrig? Erfreulicherweise Weise war es Ersteres! 

Aus Münchener Sicht würde man das etwa 20 Kilometer südlich gelegene Örtchen Icking durchaus als Kaff bezeichnen, wo der Hund begraben liegt und die größte Errungenschaft die Anbindung ans Münchener S-Bahn-Netz ist. Dafür liegt Icking idyllisch im Grünen mit viel Ausblick in die Isarauen. Grund genug für den WSV Isartal, einst gegründet 1925, im Jahre  1926/27 eine eigene Skisprungschanze aufzubauen. Von 1928 bis 1940 fanden dann auf der Ickinger Skischanze auch regelmäßig Skisprung-Wettbewerbe statt.

Bereits in den Zwanzigern und Dreißigern des letzten Jahrhunderts strahlte dieser Wintersport eine gewisse Faszination aus, bekam so aus München zunächst die Ski-Touristen und mit ihnen mehr Gastronomie und sogar die Eisenbahn in den Ort. Und das, obwohl Skispringen damals ja noch nicht viel mit dem heutigen Wintersport gemein hatte. Aktuelle Schanzenasse wie Thomas Morgenstern, Michael Neumayer, Simon Ammann und Co. verstehen sich heute schließlich mehr als Skiflieger und erreichen je nach Schanze bis zu 140 Meter. Damals begnügten sich die Wintersportler noch eher mit Skihüpfen und schafften vielleicht mal um die 30 Meter. 

TSV 1860 München engagierte sich einst als Wintersportverein

Diese geringen Weiten um die 30 Meter wurden sogar dem WSV Isartal irgendwann zu kindisch. Und nach der obligatorischen Zwangspause während des Zweiten Weltkrieges baute der WSV Isartal zusammen mit dem eher im Fußballbereich bekannten Sportklub TSV 1860 München anno 1947 eine neue, größere Skisprungschanze mit dem Namen K36 (wohl bezogen auf den K-Punkt dieser Schanze) inklusive eines Kampfrichterturms aus Holz. Die Weiten gingen nun immerhin auf rund 40 Meter, der Rekord liegt gar bei 43 Metern, ersprungen von einem gewissen Tim Ackermann aus München. Ab den 1950ern veranstaltete der Wintersportverein mit Hilfe von Dieselstrom-Aggregaten sogar nächtliche Flutlichtspringen, die sich beim Publikum höchster Beliebtheit erfreuten. Bis zum Münchener Olympia-Jahr 1972 fanden hier auf der Ickinger Skisprungschanze tatsächlich stetig offizielle Wettbewerbe statt.

Die Skisprungschanze Icking zwischen Verrottung und Auferstehung 

Heute, fast 50 Jahre nach dem letzten Skispringen kann man sich innerhalb der vom dichten Geäst überwachsenen Schanzen- und Kampfrichterturm-Ruinen kaum vorstellen, dass hier einst vor größeren Zuschauer-Scharen ernsthaft Skisprung-Sport betrieben wurde. Unsereins ist aber eben auch von den medialen Großveranstaltungen wie der Vierschanzen-Tournee sichtlich verwöhnt. Immerhin verleiht allein das Wissen, dass hier in der verwachsenen Anlage im Winter mal richtig Halli Galli war, dem alten ergrauten Betonturm doch etwas Charme und Glanz.

Es gab angeblich sogar Überlegungen, dass wenn München die Winter-Olympiade 2018 oder 2022 hätte zugesprochen bekommen, die alte Ickinger Skisprungschanze vom WSV Isartal noch mal einen neuen Anstrich erhalten hätte. Damit wäre das kleine Stück Ickinger Wintersport-Geschichte als lebendiges Denkmal noch für viele Jahre erhalten geblieben. Da die Olympioniken ihre Skier nun woanders anschnallen, ist die Skisprungschanze in Icking wohl dem Verfall wehrlos ausgeliefert. Interessierte sollten sich mit der Besichtigung jener ehrwürdigen Sportstätte also nicht zu viel Zeit lassen.

© Andy Ilmberger